Vor 80 Jahren - Aufstand in Sobibor
Am 14. Oktober 1943 brach ein Aufstand im deutschen Vernichtungslager Sobibor aus. Gefangene Juden und Jüdinnen hatten ihn von langer Hand geplant. Nachdem mehrere vorherige Versuche zum Teil gescheitert waren, kam mit Alexander Petscherski, einem Leutnant der sowjetischen Roten Armee, mit dem für den Erfolg des Aufstandes eforderlichen militärischen Sachverstand in das Lager. Er war aus einem Kriegsgefangenenlager in Minsk (Belarus) in das besetzte Polen deportiert worden. Petscherski wurde wie die anderen gefangenen Juden und Jüdinnen von der SS gezwungen, das Vernichtungslager am Laufen zu halten. Am 14.10. um 16.00 wurden SS-Leute an verschiedene Orte des Lagers gelockt und dort von den Gefangenen erstochen und erschlagen. Danach flüchteten sie über den Zaun und Minenfelder in die Wälder. Nur 200 von 600 erreichten sie. 12 SS-Männer konnten getötet werden.
Wer waren diese Täter? In vielen Fällen waren sie über die Aktion T4 in die Vernichtungslager der Aktion Reinhardt (Sobibor, Treblinka, Belzec) gekommen. Es waren Männer wie Hubert Gomerski. Er war in den Tötungsanstalten Hartheim und Hadamar als Brenner eingesetzt. Das heisst, er arbeitete bei den Krematorien.
Gomerski war in Sobibór zunächst zuständig für die Ausbildung und Überwachung der nicht-deutschen Wachmannschaften, führte aber bald auch die Aufsicht über das »Lager III«, in dem die Gaskammern standen. Bei der Ankunft von Deportationszügen leitete er mittels einer Lorenbahn den Transport von Kranken und Gebrechlichen, die nicht zu Fuß zu den Gaskammern getrieben werden konnten.
Er war während des Aufstandes im Urlaub und er war einer von nur recht wenigen Tätern, die juristisch belangt wurden. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, lebte aber bereits längere Zeit wieder in Freiheit, bevor er 1999 in Frankfurt/Main starb.
Wenig bekannt ist, dass auch Menschen mit psychischen Krankheiten und Behinderungen in Sobibor ermordet wurden. Jüdische Patienten wurden in der Anstalt Bensdorf-Sayn, einer jüdischen Einrichtung im heutigen Rheinland-Pfalz, gesammelt, bevor sie am 14. Juni 1942 in das Lager Sobibor gebracht und dort vergast wurden. Philippine Aronsohn war eine von ihnen.
In diesem Jahr wird die neu gestaltete Gedenkstätte eröffnet. Schon vor einigen Jahren wurde erstmals eine Ausstellung in einem neuen Gebäude präsentiert. Sie bietet Informationen über einen Ort, an dem 17.000 bis 180.000 Jüdinnen und Juden aus Polen, den Niederlanden und Deutschland ermordet wurden. Hier waren Deutsche am Werk, die den Mord an den Behinderten und psychisch Kranken hinter sich liessen, um den Holocaust zu vollenden. In kaum vorstellbarer, aber von den wenigen Überlebenden in den Prozessen in einer mühsam und oft re-traumatisierend wieder erzählten Grausamkeit trieben sie Männer, Frauen und Kinder in die Gaskammern. Sie stahlen, raubten und vergewaltigten.
Vor einigen Jahren publizierten Mitarbeiter des Stanislaw-Hantz-Werkes, die unter anderem Bildungsreisen nach Sobibor anbieten, ein wieder gefundenens Fotoalbum des stellvertretenden Lagerkommandanten Fritz Niemann. Auch Niemann war ein Mitarbeiter der Aktion T4 in der Tötungsanstalt Bernburg gewesen. Die Publikation, die wie kaum eine andere unser Bild von Sobibor veränderte, kann über den Metropol-Verlag erworben werden. Die Fotos stehen auch auf der Webseite des USHMM zur Ansicht zur Verfügung.
Was bleibt von diesem Ort, diesem Verbrechen? Es gibt keine Überlebenden mehr. Alle Täter sind ebenfalls gestorben. Vielen wurden nicht, oder nicht adäquat, was auch immer das bedeuten mag, bestraft. Es gibt die Berichte der Überlebenden, die Fotos der Täter, die Objekte, die gefunden wurden. Es bleibt die Verzweiflung, dass einige Tage vor dem 80. Jahrestag des Aufstandes erneut Mordbanden mehrere Hundert Juden töten konnten - in Israel, dem Land, das auch von den wenigen Überlebenden Sobibors gegründet wurde.
Es bleiben auch Objekte, die in der Ausstellung in Sobibor gezeigt werden, wie die unten gezeigten. Nur von den wenigsten wissen wir, wozu genau sie dienten. Der Haken diente dazu, Leichen aus der Gaskammer zu ziehen.
Zum Glück bleiben auch Interviews, die mit den Überlebenden geführt wurden. Eine Sammlung findet sich auf dieser Webseite.