Heinz Kluge
Schleifer aus Berlin
geb.
in
Berlin
gest.
in
Brandenburg/Havel
Schleifer aus Berlin
geb.
in
Berlin
gest.
in
Brandenburg/Havel
Heinz Kluge geht, nachdem er mit der Schule fertig ist, als Schleifer in die Fabrik. Seine Mutter, eine geborene Tschechoslowakin, hatte sich scheiden lassen und ihn alleine großgezogen. Später hat sie den Tischler Max W. geheiratet. Heinz wird in der Weltwirtschaftskrise 1930 arbeitslos. Im Herbst des selben Jahres bekommt er zum ersten Mal einen Anfall; die Anfälle kehren immer wieder, im allgemeinen nachts. Heinz hat eine eigene Wohnung in der Hobrechtstraße. Am 12. Juli 1932 kommt er auf Veranlassung des Wohlfahrtsamtes Kreuzberg im Krankenwagen allein in die Anstalt Wuhlgarten. Seinen letzten Anfall hatte er am 10. Juli. Die Diagnose bei der Aufnahme lautet: »Dementia epileptica «.
Heinz Kluge wird in Wuhlgarten aufgenommen. Er kommt in die Gartenkolonne, gilt als unauffällig und fleißig. Am 6. Oktober desselben Jahres wird er auf Wunsch der Eltern entlassen. Aufgrund der Häufigkeit der Anfälle wird ihm eine Zweidrittel-Erwerbseinschränkung attestiert. Aber schon am 18. Oktober kommt Heinz Kluge wieder nach Wuhlgarten, diesmal in Begleitung seiner Eltern. Er ist verwirrt, lallt unverständliche Worte, weint und kann keine Auskunft geben. Die aufnehmenden Ärzte, Dr. Henke und Dr. Kurtz diagnostizieren genuine Epilepsie und bescheinigen die Notwendigkeit einer Anstaltsbehandlung. Gleichzeitig notieren sie, dass er Ausländer sei. Langsam beruhigt sich Heinz wieder, er wird erneut in die Gartenkolonne geschickt. Allerdings lauten die Beurteilungen diesmal, dass er dazu neigt, »Dummheiten anzustellen« und »sich zu prügeln«. Er bekommt außerdem weiterhin nachts Anfälle, einmal sogar vier in einer Nacht. Im Verlauf von 1933 wird er immer wieder von seinen Eltern zum Urlaub nach Hause abgeholt, Ende September für drei Monate, wobei es von Seiten der Ärzte heißt, dass er mit dem 30. September, dem Tag der Beurlaubung, als entlassen gilt. Heinz Kluge wohnt jetzt bei seinen Eltern in der Naunynstraße in Kreuzberg. Da er aber in Wuhlgarten als Diagnose genuine Epilepsie erhalten hatte, wird der Kreisarzt im Oktober 1934 im Zusammenhang mit dem »Erbgesundheitsgesetz « aktiv. Das »Erbgesundheitsgericht« stellt zu dem Antrag auf Sterilisierung am 13. Februar 1935 fest, dass Heinz Kluge »an erblicher Fallsucht leidet«. Daher wird »gemäß § 1 des Ges.(etzes)z.(ur) Verh.(ütung) erbkr.(anken) Nachw.(uchses) die Unfruchtbarmachung angeordnet«.
Im April 1935 wird Heinz Kluge zum dritten Mal in Wuhlgarten eingeliefert; er kommt aus dem Bethanien-Krankenhaus, in dem er wegen einer Gehirnerschütterung drei Wochen gelegen hatte. Im März hatte er auf der Straße einen epileptischen Anfall gehabt und war mit dem Kopf auf den Bordstein gestürzt. In Wuhlgarten berichtet er dem Arzt, dass er vor dem Sturz alle sechs Tage einen Anfall hatte, »die traten schon fast regelmäßig auf.« Es überfällt ihn ganz plötzlich, »das ist noch nicht mal eine Sekunde; ich breche bloß so halb nieder, ich komme dabei gar nicht bis auf die Erde, ich sinke bloß in die Knie. Da ist mir für einen Moment so schwach. Wenn ich was in der Hand habe dabei, dann fällt mir das aus der Hand.«
Er wird am 29. April erneut in die Anstalt aufgenommen. Seine Mutter schreibt an den Direktor Heinze, dass sie wegen Raummangels ihren Sohn nicht zu Hause behalten kann. Sie hat außerdem noch eine kleine Tochter und Heinz sei sehr leicht erregbar, werfe mit Gegenständen um sich. Sie könne ihn nicht beaufsichtigen, da sie selber erwerbstätig sei. Und in den vergangenen elfeinhalb Jahren mit ihm zu Hause, sei sie »völlig mit den Nerven runtergekommen «. Am 9. Juli 1935 wird Heinz Kluge im Oskar-Ziethen-Krankenhaus sterilisiert. Er hat häufige und schwere Anfälle, teilweise verbunden mit Bewusstlosigkeit, Verwirrtsein und heftigen Kopfschmerzen im Anschluss. Außerdem ist er immer mal wieder krank. Trotzdem bemüht er sich, regelmäßig in der Gartenkolonne zu arbeiten, um Vorwürfe von »Faulheit« zu vermeiden. Neben den Krankheitsvermerken gibt es vor allem Hinweise, dass er an Prügeleien insbesondere mit dem Patienten Helmreich beteiligt ist. 1937/1938 gibt es den Versuch vom Jugendamt, Heinz Kluge, da er offensichtlich noch die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besitzt, in die Landesanstalt für Geisteskranke Kosmonos bei Prag verlegen zu lassen. Allerdings signalisierte der Stadtinspektor im Rathaus Lichtenberg ohne Angabe von Gründen im Juni 1938, dass er davon Abstand nehmen würde. »In dieser Angelegenheit werden von mir weitere Schritte nicht unternommen.« Und im Herbst 1939 nach Kriegsbeginn wurde vermerkt, dass Heinz Kluge doch jetzt sowieso Deutscher sei.
Seine Mutter kümmert sich zusammen mit ihrem Mann in besonderer Weise um ihn. Bis 1940 sind in der Patientenakte 18 Urlaubsanträge dokumentiert – von einem Tag am Wochenende, über mehrere Tage bis zu zwei Wochen. Heinz ist im Männerhaus 5 untergebracht. Mehrfach schreiben die Eltern Briefe an die Direktion, mit der dringenden Bitte, ihn in eines der Landhäuser zu verlegen, damit er in eine andere Umgebung kommt. Dieses wird abgelehnt, mal weil kein Bett frei sei, mal weil aufgrund seiner vielen Anfälle seine Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den anderen in den Landhäusern zu eingeschränkt sei, und es deswegen zu Reibereien kommen könnte. Heinz beschwert sich über einzelne Pfleger.
Die Eltern setzen sich für einen anderen Umgang mit ihm ein und versuchen die Direktion zu bewegen, eine Pflegestelle für ihn zu suchen, da sie »die Hoffnung haben, ihn von der dortigen Situation zu lösen.« Aber auch das wird abgewehrt. »Ihr Sohn H.K. eignet sich nicht zur Inpflegegabe, da er zu einer brauchbaren Arbeit nicht mehr fähig und auch nach seinen Anfällen immer recht pflegebedürftig ist.« Stattdessen gibt es 1938 /1939 immer wieder Einträge, mit wem er Streit gehabt, wen er gestossen oder geprügelt habe. Allerdings auch, dass er im Anschluss sich verschiedentlich entschuldigt habe. Trotzdem lautet die Beurteilung 1939 nur noch: »Schwachsinnig«. »Uneinsichtig«. »Geht immer mehr zurück«. 1940 gibt es noch zwei Urlaubsvermerke bei seinen Eltern – vom 22. bis zum 26. März und vom 11. bis zum 14. Mai. Am 27. Mai 1940 heißt es: »Wird heute verlegt.«
Heinz Kluge wird am 27. Mai 1940 in der T4-Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel ermordet.
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