Kazimierz Bieliński

Lehrer aus Poznań (Wielkopolska)

geb. in ?
gest. in Starogard Gdański

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Biografie

Autor: Robert Parzer

»Er ist andauernd von der engsten Sorge seiner Verwandten umgeben«

Dieser Satz findet sich in der mehr als 600 Seiten umfassenden Krankenakte von Kazimierz Bieliński, die zugleich materieller Beweis dieser Behauptung ist. Nahezu zwei Drittel des erhaltenen Schriftgutes stellen Briefe des Bruders des Patienten, des Arztes Dr. Władysław Bieliński, an die Anstaltsleitung dar. Bei ihm lebte Kazimierz viele Jahre lang, nachdem er seinen Beruf wegen Depressionen und Halluzinationen nicht mehr ausüben konnte.

Die Krankheit zeigte sich bereits im Jahr 1908 zum ersten Mal. Aber Kazimierz Bieliński konnte nach Aufenthalten in verschiedenen psychiatrischen Anstalten Zentralpolens jeweils wieder entlassen werden. Über seine Lebensgeschichte berichtet die Konradsteiner Akte recht ausführlich: Der am 21. Juli 1885 in Czerniatyn im Kreis Samborsk [Чернятин, Ukraine]1 geborene Bieliński zeigte bereits in der Schule eine Neigung zu Bildung und Wissenschaft; folgerichtig nahm er ein Studium auf und wurde Lehrer. Die Revolution im Russländischen Kaiserreich des Jahres 1905 politisierte ihn. Im sowjetisch-polnischen Krieg des Jahres 1920 half er mit, polnische Soldaten fürden Kampf gegen die Rote Armee zu werben. Kurz darauf trat er seine erste Stelle an einer allgemeinbildenden Schule an. Die Berufstätigkeit währte allerdings nicht lange, denn die Krankheit kehrte zurück und Kazimierz Bieliński zog mit seinem Bruder im Jahr 1926 von Zamość nach Poznań. Dort wurde im Haushalt des Arztes für ihn gesorgt. Bei längerer Abwesenheit Władysław Bielińskis, die öfter gegeben war, da er Reservist der Polnischen Armee war, sorgte die 70-jährige Mutter für den Erkrankten. Doch aus Sicht der Familie wurde die Versorgung aufgrund einer Veränderung in der Persönlichkeit Kazimierz Bieliński immer schwieriger. In einem Brief an die Leitung der Anstalt Konradstein vor der Aufnahme schilderte sein Bruder die Verwandlung als die »in einen anderen Menschen, der nichts mit dem zuvor gemein hat«. Offenbar führte diese Entwicklung schließlich zur dauerhaften Anstaltsverwahrung. Am 11. Mai 1927 wurde Kazimierz Bieliński in der psychiatrischen Anstalt Konradstein aufgenommen.

Damit begann auch ein intensiver Austausch zwischen der Anstaltsleitung und dem Bruder des Patienten. Beinahe jeder Aspekt des Alltagslebens Kazimierz’ wurde ausgehandelt, wobei Ernährungsfragen im Vordergrund standen. Nicht zuletzt deswegen, aber auch weil dem Bruder zufolge die allgemeinen Zustände in der dritten Versorgungsklasse der Gesundheit abträglich waren, übernahm Władysław erhebliche Kosten, um Kazimierz den Aufenthalt in der gehobenen zweiten Klasse zu ermöglichen. Ab Oktober 1927 versuchte die Familie, wieder zusammen in Poznań zu leben. Ein Jahr später erfolgte die erneute Aufnahme in Konradstein, weil Kazimierz seine Mutter bedroht und sich der Zustand sehr verschlechtert habe. Was sich nicht änderte, war der weiterhin intensive Kontakt zwischen der Familie und der Anstalt. Kazimierz Bieliński versuchte ebenfalls, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten und bat mehrmals um Urlaub. Seine Schreiben an die Direktion sind zugleich ein Zeugnis für die vielfältigen Interessen des historisch Interessierten: Anmerkungen zur mittelalterlichen Geschichte Polens fehlen ebensowenig wie Abhandlungen zum Ersten Weltkrieg und lange schriftliche Ausdrücke der Ehrfurcht für das Staatsoberhaupt Polens, Józef Piłsudski. Dem gezeigten hohen Interesse an der Außenwelt dienten auch mehrere Zeitschriftenabonnements, deren Kosten mit dem Bruder abgerechnet wurden. Dieser bezahlte auch Ankäufe von Büchern wie "Osiemnasta decydująca bitwa w dziejach świata – pod Warszawą 1920 [Die achtzehnt wichtigste Schlacht in der Geschichte der Welt – Warschau 1920]" des Viscont D’Albernon über das »Wunder an der Weichsel«, mit dem Polen den sowjetischen Überfall abwehrte. Die bereits auf mehrere hundert Seiten angewachsene Akte wurde vermutlich zu Ende des Jahres 1935 geteilt und ein neues Aktenstück angelegt. Dieses ist nicht überliefert.

Nur auf dem Aktendeckel wurde noch ein Eintrag vorgenommen: Die Worte »Verlegt am 11.1.1940« verdecken den Umstand, dass Kazimierz Bieliński an diesem Tag von Mitgliedern deutscher Einheiten erschossen wurde.

Sein Bruder überlebte den Krieg und praktizierte 1946 in Poznań weiterhin als Arzt.2


Fußnoten

  1. Es scheint kein Czerniatyn im ehemaligen polnischen Kreis Samborsk zu geben. Чернятин liegt in der Oblast Ivano-Frankivsk[back...]
  2. Archiwum Państwowe Gdańsk Oddział w Gdyni 2830 Nr. 1498.[back...]

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