Rudolf Angele
Arbeiter aus Ravensburg (Baden-Württemberg)
geb.
in
Munderkingen (Baden-Württemberg)
gest.
in
Grafeneck
Arbeiter aus Ravensburg (Baden-Württemberg)
geb.
in
Munderkingen (Baden-Württemberg)
gest.
in
Grafeneck
Rudolf Angele1wurde im Alter von 26 Jahren am 15.4.1931 in die Heilanstalt Weißenau aufgenommen. Aufgewachsen ist er in Ravensburg, dort hatte er auch seinen letzten Wohnsitz, geboren ist er in Munderkingen am 16.5.1904. Sein Vater war Oberlehrer in Ravensburg, zum Aufnahmezeitpunkt des Sohnes war er pensioniert.
Eingangs der Krankengeschichte ist ein „ärztliches Aufnahmezeugnis des Dr. Schröder in Ravensburg vom 30.12.1930/14.4.1931“ wiedergegeben. Dort heißt es, dass er sich als Kind normal entwickelt habe, der Beginn seiner „geistigen Störung reicht auf das Jahr 1923 zurück“. Berufsbiographisch wird dann geschrieben, dass er zu diesem Zeitpunkt bei der Gewerbebank Biberach als Lehrling angestellt war, „bekam dort Angstgefühle und klagte häufig über Kopfweh. 1924 kam er in eine Bank nach Pfullendorf, wo er dann abgebaut (sic!) wurde. In der Folgezeit war er erwerbslos, bis er 1925 in der Parkettfabrik in Ravensburg eingestellt wurde. Dort soll er nach einiger Zeit durch die Schuld eines anderen Angestellten seine Stelle verloren haben (??)“.
Danach arbeitet er jeweils für kurze Zeit im städtischen Gaswerk, bei der Oberamtssparkasse in Ravensburg, als „Notstandsarbeiter“ und als „Erdarbeiter“. „Wenn ihm etwas nicht passte, ging er einfach von der Arbeit weg und legte sich zu Hause ins Bett“. Anfang 1930 lernte er ein Mädchen kennen, „bekam aber mit dessen Angehörigen Differenzen, weil er behauptete, das Mädchen hätte bereits ein Kind
von einem anderen“. Er wurde von diesen verklagt und erhielt „150 M Geldstrafe“.
Am 27.5.1930 ging Herr Angele dann zu dem hier zitierten Dr. Schröder in die Sprechstunde und klagte über Angstgefühle, Zwangszustände, fühle sich beobachtet etc. Eine gewünschte Bescheinigung, dass er arbeitsunfähig sei, wurde ihm verweigert. Dr. Schröder hielt ihn für „anstaltsbehandlungsbedürftig“. Der Vater bringt ihn schließlich im April 1931 in die Anstalt. Die aufnehmende Abteilung beschreibt ihn als „ruhig, geordnet, besorgt sich selbst, wenig Verkehr mit seiner Umgebung“. Bereits nach wenigen Tagen hilft er „eifrig bei den Erntearbeiten mit“. Ende Mai 1931 wird notiert: „Hat selbst das Gefühl, dass ihm der Aufenthalt gut bekomme und dass er ruhiger geworden sei“. Im Juni wird er vom Vater abgeholt und „nach Hause beurlaubt“.
Zwei Jahre später kommt er erneut zur Aufnahme, er hatte keine Arbeit gefunden und immer die gleichen Beschwerden gehabt, insbesondere Angstgefühle. Sein Verhalten nach der Aufnahme: „Ruhig, besorgt sich selbst. Sehr misstrauisch, einsilbig.“ Monate später wird notiert, dass er häufig gereizt sei, sich über das Essen beschwere, das Personal beschimpfe und seine Entlassung fordere. Sein Vater und seine Schwester besuchen ihn regelmäßig. Anfang 1934 wird geschrieben dass er „wieder zugänglicher“ sei. In diesem Jahr stirbt sein Vater, seine Reaktion darauf ist nicht beschrieben. Ab 1937 wird berichtet, dass er „sehr fleißig im Torfschuppen mitarbeitet“ und dass er immer wieder „schauerliche Mordgeschichten erzählt“. Die Einträge werden dann immer seltener – „keine Änderung“. Der letzte Eintrag am
20.2.1940: „Guter Ernährungszustand“. Am Schluss der Akte liegt ein Brief bei, den er im August 1939 an ein „Fräulein Neugebauer“ geschrieben hatte, zum großen Teil ist dieser mit Wasserflecken überzogen. Am Schluss schreibt er: „Dein Liebling Rudolf Angele, Kranker“.
Am 10.6.1940 wird er mit 69 Anderen Opfern in Weißenau von einem der „Grauen Busse“ abgeholt und am selben Tag in Grafeneck
getötet.
In einem Aktenkonvolut des Verwaltungsarchivs des ZfP Südwürttemberg/Weißenau mit Briefen von Angehörigen ist ein Schreiben des Bruders von Rudolf Angele zu finden, der am 1.7.1940 aus Stuttgart Degerloch an die „Direktion der Heilanstalt Weißenau“ schreibt:
„Von der Landes-Pflegeanstalt Grafeneck erhielt ich am 21. Juni zu meiner größten Bestürzung ein Schreiben, worin mir mitgeteilt
wurde, dass mein Bruder Rudolf unerwartet dort verschieden und bereits eingeäschert sei. Vor ca. 3 Wochen (am 9. Juni) besuchte noch meine Schwester ihn in Weißenau und fand ihn körperlich unverändert vor. Es befremdet mich sehr, dass weder von seinem Abgang dort, noch von seinem neuen Aufenthaltsort, sowie von seiner plötzlichen Erkrankung von keiner Seite irgend welche Mitteilung gemacht
wurde“.
Die Direktion antwortete am 5.7.1940, dass die Anstalt „von dem Ziel des Transportes nicht unterrichtet“ wurde, dieses sei vom Innenministerium festgelegt worden. Das „Befinden Rudolfs war in den letzten Wochen seines Hierseins öfter gestört, woran er gestorben ist, weiß ich nicht. Med.-Rat“ (unleserliche Unterschrift).
Bitte helfen Sie uns bei der Vervollständigung der Biografie von 'Rudolf Angele'. Wenn Sie mehr wissen, Bild- oder anderes Material haben, würden wir uns sehr freuen, mit Ihnen in Kontakt zu kommen.