Walter Keiner

aus Berlin

geb. in Berlin
gest. in Brandenburg/Havel

Historischer Ort: Denkmal der Grauen Busse, Porträt 5

Biografie

Walter Keiner wurde am 15. Juli 1904 in Berlin geboren. Sein Vater Heinrich Keiner und die Mutter Klara wohnten etwa seit 1930 in der Provinzstraße 48. Der Vater war von Beruf Kupferschmied. Walter Keiner hatte einen Bruder mit Namen Herbert.

Walter Keiner erkrankte im Alter von anderthalb Jahren an Hirnhautentzündung. Als Folge dieser Erkrankung litt er seit früher Kindheit unter Epilepsie. Ebenfalls als Folge dieser Erkrankung wurde ihm ein Hirnschaden attestiert. Nach heutigen Begrifflichkeiten würde man vielleicht sagen, Walter Keiner war geistig behindert.

Im Alter von 26 Jahren (anlässlich seiner Aufnahme in die Wittenauer Heilstätten) wurden seine Intelligenz und sein Wissen bewertet, und man bescheinigte ihm: „Wissen und Intelligenz eines Neunjährigen“. Unklar bleibt, wie viel von diesem Entwicklungsrückstand auf die damaligen Umstände zurückzuführen ist. Walter Keiner war außerdem auf dem linken Ohr taub und auf dem rechten schwerhörig.
Seit seinem fünften Lebensjahr war Walter Keiner (mit mehreren Unterbrechungen) in Anstalten untergebracht, das erste Mal im Erziehungsheim der Irrenanstalt Dalldorf (später Wittenauer Heilstätten, dann Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik), wo er auch Ansätze von schulischer Förderung in einer sogenannten Idiotenschule erhielt.

Im Laufe seiner „Anstaltskarriere“ kam es immer wieder zu Beschwerden der Eltern über die Behandlung von Walter in diversen Einrichtungen. Hier geben die erhaltenen Akten über sein Schicksal hinaus einen zwar lückenhaften, aber dennoch eindrucksvollen Einblick in die Bedingungen der Anstaltspflege der damaligen Zeit, aber auch in die Gefühls- und Gedankenwelt der Eltern in ihrem Kampf gegen Anstaltsleitung, Pflegepersonal und Behörden, zum Teil auch von Walter selbst.

Am 23. September 1912 erfolgte eine Beschwerde von Walters Vater wegen Ohrfeigen, mit denen Walter bestraft worden sei: „Wenn der Junge geistig so beregt wäre, dass er in die Volksschule gehen könnte, und keine Anfälle bekäme, würden wir ihn keine Stunde länger in der Anstalt lassen. Ich erwähne noch, dass der Junge kein Fürsorgezögling ist, und verlange eine Untersuchung. Personen, welche kranke Kinder durch Schläge erziehen wollen, sollten sich schleunigst einen anderen Beruf wählen.“

So wie hier beschwerten sich Vater und Mutter im Laufe der Jahre immer wieder bei den verschiedenen Stellen bis hin zum Oberbürgermeister. Sie scheuten sich auch nicht, den Vorwurf der Misshandlung zu erheben, so in einem Brief vom 30. Mai 1915: „Deshalb erwarte ich ein strenges Verbot von Misshandlungen und für Geschehenes einen strengen Verweis. […] Dass das Pflegepersonal Misshandlungen bestreitet, ist ja allgemein bekannt, dies ist schon in verschiedenen Gerichtsverhandlungen von verschiedenen Anstalten bewiesen worden.“

Die Auffassung der die Vorwürfe untersuchenden Stellen kommt in folgendem Zitat zum Ausdruck: „Die gelegentlichen Klapse sind doch auch als Misshandlungen nicht anzusprechen, bei der schwer zu behandelnden Unart der Jungen erklärlich, wenn sie auch nicht geduldet werden dürfen.“
Die Eltern setzten sich noch lange weiter für ihren Sohn ein. Am 16. Juli 1928, Walter war gerade in der Anstalt Görden bei Brandenburg untergebracht, beklagten sich die Eltern, dass Walter schlechter behandelt werde, weil er nicht arbeite. Anlässlich seiner Aufnahme in die Anstalt für Epileptische in Berlin-Wuhlgarten trug den Eltern ihr Engagement für ihren Sohn die Einstufung „einsichtslose, querulantische Eltern“ ein. Walter wird in einem Brief des Vaters wie folgt zitiert: „In den Anstalten wird man noch zum Verbrecher gemacht.“

In den 1930er-Jahren holten die Eltern Walter wiederholt für einige Tage nach Hause, zumeist an Feiertagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten. Ein Versuch, Walter ganz nach Hause zu holen, scheiterte im Jahr 1929.
Bei der Wiederaufnahme von Walter sagte die Mutter über ihn: „Er sagte immer, er wollte leben wie die Leute unter den Linden.“ In den folgenden Jahren finden sich immer wieder Aussagen des Pflegepersonals über Walter, die vermuten lassen, dass er als schwieriger Patient galt; er wurde als sehr reizbar und jähzornig beschrieben.

Das letzte dokumentierte Ereignis im Leben von Walter Keiner ist eine Bemerkung über das Ende eines Elternurlaubes am 28. März 1940. Kurz darauf wurde Walter Keiner als einer von mehr als 70.000 psychisch kranken und geistig behinderten Menschen vergast.
 

Die Biografie wurde von Annett Graneß und Christoph Visse erarbeitet.

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