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Landesheilanstalt Eichberg(Vitos Rheingau Klinik Eichberg)
Heil- und Pflegeanstalt in Eltville
Über diesen Ort
Im Jahr 1815 wurde ein Teil des Klosters Eberbach zum "Irrenhaus Eberbach" als staatliche Einrichtung des Herzogtums Nassau erklärt. Es bestand bis 1849, als unweit des Klosters die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Eberbach eröffnet wurde. Seit 1829 bestand ein Verein für die Betreuung und Unterstützung entlassener Anstaltspatienten. In den 1930er Jahren gab es am Eichberg jeweils acht Abteilungen für männliche und weibliche Patienten. Der seit 1932 am Eichberg arbeitende Direktor Dr. Wilhelm Hinsen legte insbesondere Wert auf den Ausbau der Arbeitstherapie. Viele Patienten arbeiteten in den zahlreichen Wirtschaftsbetrieben der Anstalt.
Zwangssterilisationen und Aktion T4
Dr. Hinsen nahm ab 1933 an einigen Fortbildungen zur neuen "Orientierungswissenschaft" 1Rassenhygiene teil. Der Bezirksverband Nassau als Träger psychiatrischer Einrichtungen eröffnete 1934 eine Abteilung "Erb- und Rassenpflege" in Wiesbaden und erfasste dort so genannte Erbkranke aus den Landesheilanstalten. Dr. Hinsen war Beauftragter der Abteilung am Eichberg und in den Jahren 1936 und 1937 als ärztlicher Beisitzer am Erbgesundheitsobergericht direkt in Zwangssterilisationen eingebunden. 1934 wurde am Eichberg eine chirurgische Station eingerichtet, in der 187 Patienten der Anstalt zwangsweise unfruchtbar gemacht wurden. Insgesamt wurden von 1934 bis 1939 320 Patienten dieser Operation unterzogen.
Zugleich wurden Sparmaßnahmen eingeleitet, als durch eine Steigerung der Neuaufnahmen bei gleich bleibendem Betreuungsschlüssel die Einnahmen erhöht wurden. Das Verbot der Abgabe von Vollmilch an Patienten 1937 kann wohl als exemplarisches Beispiel für die beginnenden Verteilungskämpfe im Gesundheitswesen zu Lasten der schwächsten Patienten gelten.
Zu Anfang des Jahres 1936 kam mit Dr. Friedrich Mennecke ein SS-Mann als Volontärarzt an die Anstalt. 1939 übernahm er die Leitung der Anstalt, 1940 wurde er bei einer Sitzung in der Kanzlei des Führers in Berlin für die Aktion T4 angeworben. Im Juli 1940 füllten er und andere Ärzte der Anstalt, darunter Dr. Leopold Coulon und Dr. Elfriede Conrad die Meldebögen aus, mit denen Patienten in der Zentrale der Aktion T4 in Berlin registriert wurden.
Am 13 Januar 1941 wurden die ersten Patienten in die T4-Tötungsanstalt Hadamar deportiert. Bis Ende April wurden knapp 800 Patienten der Anstalt dorthin zur Ermordung gebracht, weitere ca. 1500 Menschen kamen aus anderen Anstalten über den Eichberg als Zwischenanstalt in die Gaskammer von Hadamar. Genaue Zahlen sind nicht ermittelbar - einige der Patienten, die nach Hadamar deportiert werden sollten, starben noch auf dem Eichberg; wieder andere wurden aus Hadamar auf den Eichberg zurückgestellt, z.B. bei Verwechslungen.
Am 5. Februar 1941 wurden alle 18 jüdischen Patienten aus dem Eichberg ebenfalls nach Hadamar gebracht und dort ermordet.
Tötungen durch Medikamente auf dem Eichberg
Nach dem Stopp der Gasmorde im August 1941 waren Hunderte Patienten aus anderen Anstalten am Eichberg verblieben. Direkt danach wurde damit begonnen, Patienten gezielt durch Unterernährung zu ermorden. Eine Planungsgruppe der Aktion T4 kam aus Berlin an die Anstalt und empfahl, die Anstalt mit geplanten 1000 Betten zu erhalten. Die Kommission vermerkte die dichte Belegung und empfahl die Anwendung moderner Therapien, woraufhin im Sommer 1942 ein Elektroschockgerät angeschafft wurde. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt begann die Ermordung von Patienten durch die Gabe von überdosierten Medikamenten.
Friedrich Mennecke kam aufgrund eines Streits mit dem Dezernenten für das Anstaltswesen Fritz Bernotat Ende 1942 zur Wehrmacht. In der Folge wurde dem Oberarzt Dr. Walter Schmidt die Leitung der Anstalt übertragen. Unter den Pflegenden war allgemein bekannt, dass Schmidt persönlich Patienten durch Spritzen ermordete. An die 700 Patienten wurden im Zeitraum von 1942 bis 1945 nach Hadamar gebracht, wo viele ermordet wurden.
Im Verlaufe des Krieges trat immer mehr die Nutzung des Eichbergs für andere Nutzungen als für die Fürsorge in den Vordergrund. 1943 wurde eine Tuberkuloseklinik eingerichtet, 1944 das Ausweichkrankenhaus "Rheinhöhe" für die Sädte Frankfurt/Main und Wiesbaden; es entstand ebenfalls eine Ausweichstelle der Frankfurter Stadt- und Universitätsnnervenklinik. Ab Ende 1943 bestand ein Lazarett für die Waffen-SS, dafür waren Hunderte Patienten vorher vom Eichberg in andere Anstalten deporitert worden. Andere Patienten mussten in Fabriken in der Umgebung Zwangsarbeit leisten, was von der Anstaltsleitung jedoch als arbeitstherapeutische Maßnahme betrachtet wurde.
Kindereuthanasie am Eichberg
Auf dem Eichberg bestand von April 1941 bis März 1945 eine Kinderfachabteilung. Eine Baracke auf dem Gelände war für die Zwecke der Kindereuthanasie eingerichtet worden. Sie bestand aus einem großen Saal Ältere Kinder wurden auf den Erwachsenenstationen aufgenommen. Dr. Mennecke und Dr. Schmidt waren für die Ermordung der Kinder hauptverantwortlich. Die Opferzahlen werden in der Literatur unterschiedlich angegeben und bewegen sich zwischen 430 und 500; 707 Kinder waren als Patienten in der Abteilung geführt worden. Viele Kinder kamen mit Sammeltransporten auf den Eichberg und wurden in das Verfahren des "Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagenbedingter schwerer Leiden" einbezogen.
27.4.1941: 14 Kinder aus der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Heppenheim
6.6.1941: 11 Kinder aus der Landesheilanstalt Marburg
9.11.1943: 37 Frauen und Kinder aus der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Phillipshospital Goddelau
8.8.1943: 29 Kinder aus der Anstalt Hamburg-Langenhorn.
28.7.1944: 17 Kinder aus derAnstalt für Geistesschwache Schwarzacher Hof/Baden 2
Die Leichen ermordete Kinder wurden von Anfang an von den Doktoren Schmidt und Mennecke zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt. Im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden ist ein Fotalbum überliefert, das Fotos von Kindern und mutmaßlich auch von ihren Gehirnen nach ihrer Ermordung enthält. 3 Mehr als 86 Gehirne, vermutlich 110, wurden an die Universitäts-Nervenklinik Heidelberg übersandt, zu der, und insbesondere zu ihrem Leiter Prof. Dr. Carl Schneider, schon länger eine Arbeitsbeziehung bestand. Carl Schneider forschte zur Entstehung des "Schwachsinns" und zur Unterscheidung seiner angeblichen erblichen und nicht-erblichen Formen. 29 Kinder, die in Heidelberg untersucht wurden, kamen später am Eichberg ums Leben.
Juristische Aufarbeitung und Gedenken
Im Dezember 1946 fand in Frankfurt/Main der Eichberg-Prozeß" statt. Angeklagt waren Dr. Mennecke und Dr. Schmidt, die Oberschwester Helene Schürg, der Abteilungspfleger Andreas Senft und zwei Krankenpflegerinnen. Mennecke wurde zum Tode verurteilt, Schmidt zu lebenslangem Zuchthaus, Schürg zu acht Jahren; die Krankenpflegerinnen wurden freigesprochen. Dr. Mennecke starb vor der Urteilsvollstreckung, alle anderen Verurteilten kamen bis 1959 wieder frei. Dr. Schmidt praktizierte noch jahrelang in der Gegend von Hattenheim als Arzt.
Fußnoten
- Peter Sandner, Der Eichberg im Nationalsozialismus, in: Christina Vanja u.a., Wissen und Irren. Psychiatriegeschichte aus zwei Jahrhunderten - Eberbach und Eichberg, Kassel 1999, S.164-220, hier S. 169 [back...]
- Gerrit Hohendorf, Stephan Weibel-Shah, Volker Roelcke, Maike Rotzoll, Die "Kinderfachabteilung" der Landesheianstalt Eichberg 1941 bis 1945 und ihre Beziehung zur Forschungsabteilung der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg unter Carl Schneider, in: Peter Sandner, Christina Vanja (Hg.), Wissen und Irren. Psychiatriegeschichte aus zwei Jahrhunderten - Eberbach und Eichberg, Kassel 1999, S. 221-244, hier S. 230.[back...]
- HHStA Wiesbaden, Abt. 461, Nr. 32442, Bd. 14.[back...]
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